Beleidigte Pflegerwurst

Beleidigte Pflegerwurst

Kann sein, dass ich mich immer und immer wieder wiederhole, weil ich einfach nicht mehr weiß, was ich hier und an anderer Stelle über meine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger geschrieben habe. Was soll’s.

Geht es um Genderkacke, radikalen Feminismus und das alles, rege ich mich oft darüber auf, dass manche Menschen einfach viel zu empfindlich ist. Dieser Blog-Beitrag legt offen, was für ein Sensibelchen ich bin.

Meine Zwischenbewertung des vierwöchigen Praxisblocks in der Onkologie sollte am 29.06. laufen. Ich kann mich nicht daran erinnern, warum es an diesem Tag nicht klappte. Die für mich zuständige Pflegekraft hatte nicht daran gedacht und ich hatte nicht daran gedacht. Sie war scheinbar auch nicht darauf vorbereitet (sprich: sie hat sich nicht die Mühe gemacht, andere Pflegekräfte über mich auszufragen), sonst hätte sie mich sicher darauf angesprochen. In Einigung mit meiner Klassleiterin teilte mir die Stationsleitung mit, ich habe zwar ein Zwischengespräch, aber nicht mit Bewertung. Das ist völlig okay. Auf meine Praxisnote im Zeugnis wird das nicht viel Einfluss haben. Außerdem war heute eine Stationsbesprechung mit fast dem gesamtem Team. Ich denke nicht, dass ich wichtig genug war, ein Punkt auf der Agenda zu sein, aber sie hat sich durchgefragt. Zeigte ihr im Vorfeld eine Liste an Pflegekräften, mit denen ich gearbeitet hatte und die sie über mich ausquetschen konnte. Ich bin da entgegenkommend, das macht sonst niemand.

Spätschicht. Was fühlte ich mich gut. Ich arbeitete viel und korrekt, hielt den examinierten Pflegekräften den Rücken frei und bespaßte die Patienten. Als einziger Schüler auf einer Station ist es my time to shine. Ich genieße das. Fast schon hatte ich so viel Selbstvertrauen, dass ich mir ausmalen konnte, nach dem Examen komplett frei arbeiten zu können. Selbstkritisch wie ich bin, sind das eher kurze traummalerische Höhepunkte, deswegen kostete ich das richtig aus. Erinnerte mich daran zurück, wie ich am Anfang dieses Praxisblocks  daran dachte, die Ausbildung abzubrechen. Alles in mir verlangte danach. Ich war völlig überfordert, drohte unterzugehen in den ganzen schriftlichen Arbeiten, Prüfungsvorbereitungen und dem Einarbeiten in diese völlig ungewohnten Abläufe der neuen Station (dort wird einiges anders gehandhabt und meiner Meinung nach nicht zum Besten – Aushilfskräfte die dort anfangen, bestätigen mir das u. a. durch ihr Stirnrunzeln, wenn sie eingearbeitet werden). Aber ich weiß, dass ich nicht nochmal flüchten kann. Kein Ausweg mehr. Ich hatte mich nach mehr als einem Jahr Bedenkzeit für die Pflege entschieden und bin jetzt in ihr gefangen. Mindestens bis zum Examen.

Wie so oft wurde das Gespräch an das Schichtende verlegt, vorher fand sie in den ruhigen Momenten keine Zeit (Raucher müssen rauchen). Es begann damit, dass ein Zwischenziel („Grundpflege routinieren“) in den „Endzielen“ (doofes Wort) auf einmal um „+ Prophylaxen“ erweitert wurde. Ich beherrsche die Prophylaxen. Das als Ziel nachträglich aufzunehmen kommuniziert ungerechtfertigerweise, dass ich da Nachholbedarf habe. Doch egal, ich möchte nicht soooooo kleinlich sein.

Sie sagte danach: „Du hast mir ja am Anfang des Praxisblocks schon gesagt, dass du oft unmotiviert wirkst, oft langsam bist usw.“
Korrekt. Ich habe ihr auch das „Warum“ erklärt. Ich wirke unmotiviert, weil ich mit mir selbst unzufrieden bin, an meinen eigenen Ansprüchen scheitere und es gerne besser machen würde (sie ist da genauso). Ich versuche weniger Angriffsfläche zu bieten, indem ich mich zurückhalte. Auf andere wirkt das, als sei ich unmotiviert. Deshalb wünschte ich mir explizit Anleitungen. Diese Erklärung hat sie komplett vergessen. Bei ihr blieb nur hängen: „wirkt unmotiviert“. Ebenfalls erklärt habe ich ihr, dass ich langsam bin, weil ich versuche schulisch zu arbeiten und weil ich mich nicht hetze, wenn es gerade nicht viel zu tun gibt oder eine Aufgabe nicht sehr dringlich ist. Aber ich bat explizit darum mich bitte wissen zu lassen, wann ich richtig Gas geben solle, denn scheinbar kapier ich’s einfach nicht, wenn Not am Mann ist. Ich hatte nie den Eindruck, Arbeit liegen zu lassen, also schien mein Arbeitstempo angepasst. Damals sagte sie noch dazu: „Das ist auch gut so, nicht zu hektisch zu arbeiten. Alle die sich so durchhetzen, haben später ein Burn-out.“

Sie weiter: „Wenn du das schon weißt, warum tust du nichts dagegen?“
Ja, warum eigentlich? Warum wird ein Depressiver nicht einfach fröhlich? Zu wissen und selbst benennen zu können, dass man etwas nicht kann, bedeutet den ersten aktiven Schritt zur Änderung. Mich umzukrempeln passiert nicht über Nacht! Ich wünschte mir etwas mehr geführt zu werden, geteilte Erfahrungen der Profis zu erhalten, die auf meine eigene, individuelle Situation passen. Ich wünsche mir das in jedem Praxisblock und nichts geschieht.

Dann kam die rhetorische Frage, mit der sie mich zutiefst kränkte: „Wie alt bist du jetzt?“
32. Ich bin verfickte 32 Jahre alt und das wusste sie. 32 Jahre liegen nur knapp unter ihrem Alter, die seit 13 Jahren examiniert ist, vor ihrer Ausbildung bereits ein freiwilliges soziales Jahr im Krankenhaus machte und in die Pflegearbeit hineingeboren wurde. Was habe ich? Die Ausbildung 2016 begonnen und zuvor nur kurze Praktika gemacht. Ich bin nach wie vor ein absoluter Quereinsteiger, so quer wie ein im Hals steckender Zahnstocher, querer geht’s gar nicht. Ich brauche Beratung und Führung, frage sie höflich an und erhalte sie aber einfach nicht. Und außerdem: Was hat mein Alter damit zu tun? Ist als nächstes mein Geschlecht ein weiteres KO-Kriterium für mich?
Ganz klar hätte ich hier nachhaken müssen. Fragen: „Was genau meinst du damit?“ Ich tat es nicht, weil ich mich in diesem Moment so geohrfeigt fühlte. Also schluckte ich es herunter, sehr darauf bedacht, meinen Ärger nicht in das Gespräch einfließen zu lassen.

Sie: „Du stehst dir selber im Weg.“
Scheint ein Standardspruch zu sein. Oder es ist halt mal was Wahres dran. Sicher Letzteres. Ich stehe mir in so vielem im Weg, sabotiere mich selbst. Oder ist es tatsächlich nur ein Spruch aus der Pflege-Mottenkiste? Werde das im nächsten Blog-Beitrag weiter ausführen.

Sie: „Ich weiß schon, das ist leichter gesagt als getan, aber du stehst dir selber im Weg.“
Wiederholung betont etwas. Dazu noch das Ziel sagen, ohne den Weg aufzuzeigen. Sind mir die liebsten Ratschläge.

Sie: „Also ich glaub nämlich, dass du von der Theorie her gar nicht so schlecht bist …“
Ich darf vorweg nehmen: Zur finalen Bewertung gibt sie mir unter dem Punkt „Theoretische Kenntnisse“ die volle Punktzahl.

Sie: „… aber du kannst es halt ganz schlecht umsetzen, irgendwo, hab ich’s Gefühl. Vor allem wenn jemand dabei ist.“
Auch hier wieder Unklarheit. Wann war denn jemand bei was dabei? Und wie sonst soll eingeschätzt werden, ob ich etwas richtig mache, wenn niemand dabei ist? Ich würde mir wünschen, dass man mir viel öfters über die Schulter schaut und das habe ich auch gesagt. Was ich tun sollte: Extrovertierter sein, wenn wir frühmorgens und allabendlich gemeinsam durch die Patientenzimmer gehen. Ich halte da immer die Fresse und überlasse der examinierten Pflegekraft das Reden, denn ich möchte zuhören, lernen und mich nicht unnötig in den Vordergrund spielen. Bin ich allein mit den Patienten, bin ich laut und offen. Meine Betreuerin hat das auch schon bemerkt, als sie zu ihrer Kollegin sagte – die das alles an mich weitergab -, dass ich alleine super mit den Patienten zurecht käme und kommunikativ beste Arbeit leiste. Im Zwischengespräch hatte sie das nicht erwähnt und das hat mich wieder mehr gekränkt als es sollte. Einerseits will ich direkte Manöverkritik, um mich zu verbessern und keine Fehler einschleifen zu lassen, andererseits hätte ich gerne Lob. Ist das paradox oder vielleicht ein ganz normaler Wesenszug? Anyway, ich hakte nach:
„Was genau meinst du mit ’schlecht umsetzen‘?“
Sie: „Ich glaub einfach du weiß was du theoretisch tun musst. Ähm … wie jetzat … ähm … ja … mhm … ich würd jetzt sagen, du weißt theoretisch wie du jemanden waschen musst, ok? ‚Ich mach das so und so und so‘, du hast vielleicht ’nen Plan im Kopf, dann bei der Umsetzung aber irgendwie tust du dich schwer, hab ich das Gefühl.“
Mir hat NIE jemand beim Waschen zugesehen. Aber ich habe zusammen mit dem anderen Schüler der Station einen Patienten gewaschen und der war wirklich schlecht. Bin mir sicher, er musste sich diesen Bullshit nicht anhören (seine Bewertung war 25 Punkte über meiner – er konnte nicht mal den Blutdruck korrekt messen, aber war verdammt charismatisch).

Sie: „Oder beim Verbandswechsel hab ich das Gefühl, du weißt wie es funktioniert, aber wenn dir jemand zuschaut, wirst du nervös und dann weiß die rechte und die linke Hand nicht mehr was sie tut.“
Nicht ein einziges Mal hat sie mir beim Verbandswechsel zugesehen. Die Pflegekräfte, die mir zugesehen haben, sagten auf meine Anfrage, ob ich beim Wechsel korrekt gearbeitet hätte, dass alles in bester Ordnung war.

Für den nächsten Bewertungspunkt auf der Liste („Grund- und Behandlungspflege“) gibt sie zu, dass sie darüber nichts sagen kann, aber soweit sie weiß „ist das alles ok, da haben die anderen zumindest nix gesagt.“
Patienten waschen = Grundpflege. Verbandswechsel = Behandlungspflege. Vorher sprach sie noch darüber, als wär sie die Patientin gewesen.

Der nächste Punkt. „Erkennen von Veränderungen, Weitergabe von Informationen … ok, das heute …“
Folgendes ist passiert: Ein Patient klagte über Übelkeit. An Krebs erkrankt, vollgepumpt mit Zytostatika, ist Übelkeit keine schöne Sache, vor allem da Krebs, kurz gefasst, als sogenannte „konsumierende“ Erkrankung eine energiereiche Ernährung braucht. Ich sah in der Patientenkurve (das Geheft in dem der Kurvenverlauf diverser Vitalparameter, Schmerzskala, Ein- und Ausfuhr, Medikamente, Arztanordnungen etc. dokumentiert sind) nach der Bedarfsmedikation und richtete alles dafür benötigte auf ihrem Schreibtisch auf, damit sie es injizieren konnte. Sie war nirgends auffindbar, ich musste der nächsten läutenden Patientenglocke nachgehen. Mein Fehler: Keinen Zettel dazuschreiben auf dem Stand für wen und was das war.
Ich sah, wie sie vom Rauchen zurückkam und ich Idiot vergaß das mit der Übelkeit, weil ich sofort jemanden für den OP fertigmachen musste, wegen einer aufgetretenen Paravasation eines Zytostatikums – nichts zu spaßen. Das war mein Vergehen. Sie selbst wunderte sich nicht über das hergerichtete Medikament, das danach schrie in jemanden gespritzt zu werden und nur von mir so aufbereitet gewesen sein konnte (keiner ihrer Kolleginnen würde das dort hinstellen – es war absolut auffällig). Der Patient – kognitiv und körperlich fit, mittleres Alter, ist den Tag über ständig am Gelände unterwegs -, meldete sich nicht mehr, in der Hoffnung, wir kümmern uns schon. Selbst seine Ehefrau, die zu Besuch war, gab keinen Mucks von sich. Damit möchte ich mich nicht rausreden, viele der Patienten sind wahnsinnig erschöpft und lassen sich treiben, völlig überfordert mit ihren heftigen Krebsleiden. Andere wollen sich vielleicht nicht aufdrängen, weil sie wissen, wie viel Pflegekräfte um die Ohren haben. Seitdem schreibe ich mir jeden Kleinscheiß auf (wobei ich auch das im Stress oft genug vergesse). Ich halte es für den besten Lerneffekt, wenn ich etwas wirklich versemmle und dabei niemand ernsthaft zu Schaden kommt. Mein Scham- und Schuldgefühl ist dann dermaßen hoch, dass es mir nicht nochmal passiert. Auf jeden Fall wurde deswegen ein großes Fass aufgemacht. Bei all meiner Liebe zur Selbstkritik, oft habe ich das Gefühl, dass Pflegekräfte sehr schnell und sehr deutlich einem Schüler Fehler ankreiden, um von ihrer eigenen Verantwortung dem Schüler und nicht zuletzt Patienten gegenüber abzulenken. In einer Ausbildung ist der Fehler des Schülers, der Fehler der ausgelernten Kraft und paradoxerweise vice versa. Ich war so oder so im Arsch, das wusste ich. Selbst WENN ich ihr gesagt hätte, dem Patienten sei übel, hätte sie nicht die Zeit gehabt, es ihm zu injizieren, da dass Paravasat Prio 1 war. Anders wäre das natürlich bei Schmerzen gewesen.

„… aber du gibst es weiter, wenn was zu machen ist. Wenn dir was auffällt halt immer gleich Bescheid sagen. Das mit der Übelkeit lassen wir mal außen vor.“
Sie ließ das nicht außen vor. Es stand bereits in meiner Bewertung, ich konnte es schmecken (und das tat es dann auch).

„Hygienisch arbeiten, das macht jeder falsch, das mach ich oft auch, wenn zwei Patienten in einem Zimmer liegen, man von A nach B geht, Hände desinfizieren. Aber das passiert jedem, haha.“
Anscheinend vergesse ich das im Trubel und das ist nicht zu entschuldigen, selbst wenn sie es selbst nicht oft macht. Aber ich frage mich dennoch: Warum ZUM FICK kann sie mir nicht unmittelbar dann, wenn sie sieht, wie ich meine Hände nicht desinfiziere … warum kann sie mir das nicht unmittelbar mitteilen? Warum geht das nicht.

„Motivation, Einsatzbereitschaft, Eigeninitiative … ja …“
Ihre Betonung und Pause kommunizierte: Hier mangelt es an allen drei Punkten. Ich habe mir weitestgehend angewöhnt, mir nicht alles nur vorhalten zu lassen, sondern auch mal nachzuhaken.

„Was ist mit Eigeninitiative?“, fragte ich.
„Naja, Eigeninitiative, das du halt ums Geschirr gehst oder in den Ausleerraum gehst …“
„Ich halte den Ausleerraum aufgeräumt, Wäschesäcke sind gewechselt, Müll ist weggebracht.
„Ja, aber dass du auch ums Geschirr gehst und des wegräumst.“
Ich hatte alles geregelt, hatte den Laden förmlich geschmissen, während sich eine andere Pflegekraft den Arsch plattsaß und sich um nichts kümmerte und der Rest in der Stationsbesprechung waren. Ich Trottel sagte: „Geschirr vergess ich immer mal.“ Was stimmt. Aber: „Es fällt mir im Laufe der Schicht aber auch immer wieder ein und ich mach das dann.“
Innerlich schlug ich mir an die Stirn, weil wir tatsächlich über das verfickte Geschirr sprachen, das im Aufenthaltszimmer stand. Wir sprachen nicht darüber, dass ich darum bettelte, in der Praxis unterrichtet zu werden und nichts geschah. Ich hatte einfach auch nicht genügend Spätdienste hier, wo Geschirr ein Thema war.
„Ja Roger, aber wenn man das IMMER vergisst, warum ändert man dann das nicht? Du bist ein Theoretiker.“
Ach verfickt nochmal was!
„Einfach mal der Rundumblick. Wenn ich durchs Zimmer geh und seh, das Wasserkännchen ist leer, dass man einfach den Rundumblick hat. Das lernt man mit der Zeit, man fragt ‚Ist alles in Ordnung? Soll ich ihnen was holen?'“
Vom vergessenem Geschirr zum Patientenzimmer – nachvollziehbarer Sprung. Ich frage IMMER einen Patienten ob alles in Ordnung ist. Bevor ich den Raum verlasse sage ich dazu noch, „Wenn Sie irgendwas brauchen, einfach Bescheid geben.“
„Dann könntest du Tempos vom Nachttisch wegnehmen und wegschmeißen, wenn man sieht, dass da was rumliegt. Wenn der Wagen dasteht, dass man den halt schnell aufräumt. Das sind Sachen, die kann man irgendwann, die gehen irgendwann ins Fleisch und Blut über, aber der Rundumblick im Zimmer drinnen, was braucht jetzt der Patient? Auf des a bissl gucken.“
Ich gab ihr Recht, das ist ungemein wichtig.

„Ich hab jetzt nix negatives von Patienten gehört, die sind alle zufrieden. Von den Kollegen kann ich auch nix sagen, du bist immer nett, haha, höflich. Nicht frech.“
Wir sehr sie ihre Meinung hierzu noch ändern würde.

„Ja, Dokumentation das ist, also das was du jetzt abgezeichnet hast war alles gut. Was mir gefallen hat: Du hast nicht einfach blind abgezeichnet, sondern hast auf das geachtet, was du machst. Also ich hab des jetzt eigentlich ganz gut gefunden. Was du noch a bissl machen kannst, wobei das immer schwierig ist, hinten halt im Pflegebericht was zu dokumentieren, wenn dir was auffällt. Meistens gibt man das ja der Schwester weiter.“
Hier musste ich wieder nachhaken, da sie meine Dokumentation eigentlich stets vorbildlich fand.
„Also wenn du hinten dokumentierst, dokumentierst du gut. Also ich finde im Frühdienst hast du gut dokumentiert, hinten. Ähm … also ich sag, du dokumentierst gut, aber halt ab und zu a bissl mehr. Du kannst ja sagen ‚des und des is mir aufgefallen, kann ich bitte die Kurven haben‘, aber das is jetz kein Kritikpunkt, sondern einfach nur so a Info.“
OK. Auch wenn es hier kein Kritikpunkt sei, so wird es in der finalen Bewertung schwarz auf weiß kritisiert.

In der Bewertung gibt es noch den Punkt „Umgang mit schwierigen, veränderten Situationen.“ Mir war klar, dass sie nochmal auf die Vergessene-Übelkeit-wegen-Paravasat-Sache zurückkommen würde. Von wegen „das lassen wir jetzt mal außen vor.“

„Ist des dann öfters so, wenn du so ne Situation hast, die so total außerhalb von der Norm ist, dass du irgendwas vergisst oder dich unwohl fühlst oder überfordert oder …“
„Nein.“ 

„Eigentlich nicht, ok. War halt grad blöd.“
Klang leicht spottend. Will das nicht schönreden – je länger das Gespräch dauerte, desto unverständlicher wurde mir Ziel und Zweck des Ganzen. Ich sah mich von Nebelbomben eingehüllt, keinesfalls konstruktiv. Vermutete ich Angriffe, wo vielleicht keine waren? Normalerweise kann ich meiner Kommunikationskompetenz in dieser Hinsicht stark vertrauen.
„Schlechter wär’s wenn’s Dypsnoe hätt, keine Luft kriegt, oder wenn die Chemo läuft und jemand sagt, die Nadel brennt. Das sind Sachen, die müssen sofort geklärt werden. Naja, wennst noch a bissl auf die Punkte schaust, denk ich, komm ma schon gut zsam.“
Ich glaube nicht.
„Stimmt das Feedback jetzt so überein mit dem was die anderen Stationen sagen oder hab ich was völlig anderes gesagt?“
Du hast Sachen gesagt, die ich gar nicht getan habe! Ich sagte: „Mein Rundumblick war auf den anderen Stationen scheinbar besser.“
„Das mit dem Rundumblick ist jetzt des was durch die Bank allen aufgefallen ist.“
„Ok, das mit dem Rundumblick ist halt auch etwas: Wenn ich’s weggeräumt habe, sieht’s keiner, weil es ja schon gemacht wurde und so nicht liegenbleibt. Wenn etwas liegenbleibt, fällt es auf. Ich werde da drauf mehr achten das häufiger zu machen.“
Bei aller Liebe habe ich aber auch nicht die Zeit, Patienten ständig hinterherzuräumen. Das machen die Examinierten selbst nicht oder sehen es nicht als wichtig an. Mein erster Gedanken auf dieser Station war: Wow, ist das hier überall dreckig. Alles auf den Schüler abzuwälzen ist halt wieder einfach.

„Schau einfach drauf, wenn du in ein Zimmer gehst und die Wasserkännchen sind leer. An sich schauen unsere Patienten ja ganz fit aus, aber man sollte die Leute fragen, brauchen sie was, kann ich was für sie tun, wenn die Nachtkästchen recht ausschauen. Unsere schauen fitter aus, als sie sind, vom Fatigue her. Die können nicht anders. Bei einem denkt man die sind fitte Selbstversorger, die rennen den ganzen Tag rum, aber die können von der Psyche her nicht.“
Und da gab ich ihr vollkommen recht.

Ich sagte zum Abschluss: „Ich hab jetzt viel nachgehakt und kann mir vorstellen, dass ich jetzt nicht krítikfähig rüberkomm, aber das ist nicht so gemeint. Wollte dem nur auf den Grund gehen, um mich besser entwickeln zu können.“
„Ja, Wennst a mal drauf schaust, dann komm ma scho zsam. Aber ich hätts jetzt unfair gefunden wenn ich es dir erst im Endgespräch gesagt hätt.“
Ich erinnerte sie daran, dass ich sofortiges Feedback doch von Anfang an wollte. Sie ignorierte den Einwand:
„Ich hätt ma da scheinbar nie was dabei gedacht, aber ich hab halt alle anderen gefragt und der eine hat gesagt des, und der andere des, und dann ist halt ein anderes Bild da. Vielleicht war ja auch mal ein schlechter Tag da, ich muss das ja im Gesamtbild sehen.“
Pure Verarschung. Sie als Praxisanleiterin hätte sich sehr wohl bei den genannten Dingen „etwas denken“ sollen.

Das Gespräch stieß mir sauer auf. Ich bedankte mich, räumte das Geschirr aus und ging schwer grübelnd, völlig an mir zweifelnd zur Umkleide.

Passiert am 30.06.2018.

Nachfolge-Beitrag hier.

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