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Schlagwort: Opa

10 Jahre

10 Jahre

Genau 10 Jahre ist es her, seit Opa’s Tod nach langem Kampf mit (nicht „gegen“, denn der Verlierer stand von vornherein fest) seiner schweren Krebserkrankung. 10 Jahre. So viel passiert, seitdem. Und ich weiß hier gerade nicht mehr zu schreiben als das.

Heute erhielt ich meine Endbewertung des Praxiseinsatzes und sie fiel, trotz überschwänglich positiver Worte der Praxisanleiterin – die so jegliches Gegenfeuer im Keim erstickte –, unfassbar schlecht aus. Sie lag unter der Bepunktung der Zwischengespräche aller anderen Schüler. Bei jemanden, der seinen Selbstwert so sehr aus dem Vergleich zu anderen zieht, ist das ein schwerer Tritt in die Eingeweide.

Was du wohl zu meinem Werdegang sagen würdest. Wie ich dich einschätze, wärst du kritisch. Der Lebensweg musste stringent sein. Schnell Geld verdienen, Ziele haben und sie anstreben. Du konntest leicht reden. Deine Arbeit war das, was du geliebt hast. Du warst ein Bastler, ein Erfinder, Experte des Maschinenbaus, von Anfang an Teil des Unternehmens, geachtet, beliebt, eine Instanz in der Stadt. Und doch nie der Chef und Großverdiener, der du vielleicht hättest sein können. Du wolltest Arbeiter bleiben. Du warst zu gut darin. Selbst im Sprung von Sozialbauwohnung zu Sozialbauwohnung bliebst du das Alpha.

Die Dinge, in denen ich gut war, brachten kein Brot. Und nachdem ich einen Weg fand, meine Hobbys irgendwie zum Beruf zu machen, fand ich heraus, wie beschissen das sein kann. Ewig unterbezahlt. Nie dazu bestimmt, finanziell dem Status „Kind der Großeltern und des Vaters“ zu entwachsen. Aktuell schon wieder Schüler. Ich war länger in Schulen als der Großteil meiner jetzigen Klasse alt ist. Zum ersten Mal bin ich deutlich älter als die Lehr- und Pflegekräfte, die mir alles beibringen sollen. Als jemand, der nie den Erwachsenenstatus für sich annehmen oder gar empfinden konnte, ist das komisch. Mein Vater, dein zweitältestes Kind, war 24 als ich geboren wurde. In ein paar Monaten werde ich 33. Das ist verfickt verrückt.

Manchmal möchte ich dir etwas erzählen. In meinen romantischen Gedanken würdest du mich an deiner Weisheit teilhaben lassen und mich mit deinen Worten, deiner Erfahrung erleuchten. Ich habe dann vergessen, wie du früher einfach nur mit den Schulter gezuckt hast oder kein Verständnis hatte. Was sagt mir, dass du mir irgendetwas erzählen würdest, das mich berührt; dass du irgendwie auf mich und meine Bedürfnisse eingehen würdest? Wenn es um deine Streitereien mit Oma ging und ich sie in Schutz nahm, sagtest du nur: „Du weißt vieles nicht.“ Und das stimmt. Wie du.

Danke für die schönen Zeiten mit dir, die Erinnerungen und deine vielen gescheiterten Versuche, mir Technik nahe zu bringen – ich weiß, du meintest es nur gut. Aber auch Danke für das große Nichts, dass du mir hinterlassen hast.

Wirklich lange her, dass ich bei dem Gedanken an dich geweint habe. Sollte ich jemals die Tage dessen zählen, kann ich heute bei Null anfangen.