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Schlagwort: Reflektion

Warum ich es niemals schaffen werde

Warum ich es niemals schaffen werde

Mein früherer Chef sprach immer von „Exzellenz“. Gemeint damit war nicht der Titel, sondern die Spitzenleistung. War eine erstrebenswerte Eigenschaft für ihn, Exzellenz in etwas erreichen, und obwohl er mit der Passion eines Wahnsinnigen Marketingprofi war, könnte ich nicht benennen, worin er wirklich exzellent war.
Exzellenz erreichen … halte ich für unnötig mühselig. Allerdings möchte ich „es schaffen“. Es schaffen im Leben. Also beruflich. Mehr Geld und höherer Status ist ja mit Vorzügen verbunden, die einem dieses ohnehin schon unverschämt schwere Kackleben leichter bzw. genießbarer machen. Also strebe ich nicht nach Exzellenz, dafür nach Perfektion. Ein Akt der Abnabelung von meiner beruflichen Vergangenheit durch Umbenennen der gleichen, giftigen Philosophie.

Ich werde es niemals schaffen. Statt „Home Sweet Home“ könnte das auf meinem Fußabstreifer stehen, damit ich es ja nicht vergesse. Habe immer den Eindruck mehr und härter zu arbeiten als alle anderen und doch bin ich ein unfassbar faules Schwein, mit dem paranoiden Eindruck, von Pech und Drama verfolgt zu werden. Leicht abgelenkt von allem. An nichts kann ich konzentriert arbeiten. Regelmäßig lasse ich mich aus dem Arbeitsfluss bringen, um irgendeinen Mist im Internet zu suchen, mich über Nichtigkeiten zu informieren, mir einen Film reinzuziehen, zu wichsen oder was sonst noch. Ausdauernd wie ein Haufen Scheiße, den ein Schwan im Wirbelsturm aus seinem Arschloch fallen lässt. Ich bin überall, aber nicht konzentriert. Gedanken rasen, tausend Gedanken, ohne Zusammenhang, bin mal hier, mal dort, der Wunsch, der Traum, die Fantasie, die Erinnerung, das Schuldgefühl, der Selbsthass, die Aussichtslosigkeit.

Zahlreiche Talente, die ich zu haben glaube, konnten sich nie zu etwas Brauchbarem entwickeln, weil ich wie gesagt keine Ausdauer habe. Dauert nicht lange und ich kündige hier z.B. einen Blogpost an, der dann nie erscheint. Wie viele unfertige Projekte in meinem Zimmer verstreut liegen, als wären Schubläden, Fächer, Mappen und Ordner unbeerdigte Särge. Meine Worte sprechen lauter als die Tat, die niemals folgt. Wird passieren.

Ganz, ganz fest nahm ich mir vor, für eine arschgefickte Schulaufgabe am Donnerstag (morgen) zu lernen. Es ist so viel Stoff, wie wir ihn noch nie zuvor für eine Schulaufgabe hatten und eine der korrigierenden Lehrer, gehört zu den härtesten Endgegnern, die man haben kann. Sie ist so voller Unsicherheit, so eigenartig geschauspielert und hilflos in zwischenmenschlicher Aktion, ich würde sie gerne in den Arm nehmen, was sie jedoch nie davon abbringen würde, ihren Frust an Schülern durch erwartete Perfektion und 100%ig genau auswendig zu lernenden Füllselsätzen auszulassen. Für das Examen darf man Lehrkräfte angeben, die man nicht in der praktischen Prüfung haben will. Kann mich nicht entscheiden, ob ich sie zum Ausschluss wähle, schließlich gibt es noch genügend andere Lehrerinnen, mit denen ich es verschissen hätte – durch meine besserwisserische Art und ständiges Aufdecken von Unterrichtsfehlern. Sorry, ich weiß es halt öfters verfickt nochmal besser. Wer das als Angriff gegen sich selbst sieht, egal wie sanft ich es zu formulieren versuche, dem ist nicht mehr zu helfen. Wie mir. Aber die haben es wenigstens zu etwas gebracht. Ich bringe es zu Scheiße. Schwanenscheiße.

Bin einfach zu sensibel für diese Welt. Als das Durchsetzungsvermögen verteilt wurde, habe ich darum gebeten, eine Schwanzlänge über dem deutschen Durchschnitt zu haben – nicht sonderlich hoch –, ohne zu wissen, dass Durchsetzungsvermögen der entscheidende Faktor für Erfolg ist, vor allem für Erfolg mit Frauen, in jeder Phase der Verführung und einer eventuellen langfristigen Beziehung. Doch um Frauen soll es hier grad nicht gehen. Vielleicht würde es mir mal helfen, Flirten, Lieben, Ficken und auf Pornovideos wichsen wegzulassen. Wortwörtlich: Mein Schwanz steht mir im Weg. Exkurs beendet.

Wird nur ein kleines bisschen Ellbogen eingesetzt, wirft es mich aus der Bahn. Und die, die ihre Ellbogen einsetzen, benutzen sie nicht, um jemanden freundlich anzustupsen, damit dieser Platz auf der Karriereleiter macht. Nein. Es geht um Dirty Ass Street Fight I Knock U Da FUCK Out Elbows. Es geht um Vernichtung. Mir geht es um Vernichtmitmir. Ich möchte aus diesem System ausbrechen, aber das geht nicht so, wie ich es mir wünsche bzw. bin ich einfach nicht belastbar genug, um das zu tun. Diese mangelnde Belastbarkeit ist ja auch der Grund, warum ich in den aktuell dominanten Strukturen des Erbringens von Leistung, keinen Halt finde und nicht einen einzigen Schritt in die vermeintlich richtige Richtung gehen kann.

Wieder mache ich krank, weil dieses Depressionsgefühl sich mit seinem fetten Arsch schwer auf meinen Kopf gesetzt hat. Morgen schreiben wir diese arschgefickte Schulaufgabe, die zugleich eine Klausur für das Studium ist. Seit mehr als acht(!) Wochen weiß ich davon und habe keine Zeile dafür gelernt. Da schwänze ich einfach. Nicht zum ersten Mal. Nein, zum zweiten Mal. Ich verlasse mich darauf, bis zum Nachholtermin alles zu können und dann schreibe ich doch nur eine 2. „Nur“. Die durchschnittliche Pflegekraft steht auf einer 4. Eine 2 ist gut, eine 2 ist überdurchschnittlich. Genügt mir nicht. Und wenn es eine 1 wird, freue ich mich nicht im gleichen Maße darüber, wie eine 2 mich aufregt. Bei einer 3 bin ich übrigens schockiert zutiefst gekränkt. Einser scheinen normal, etwas Gegebenes, etwas Notwendiges zu sein. So elendig viele Einser ich in meinem Leben schon geschrieben habe, so wenig haben sie mir gebracht. Eigentlich gar nichts. Kein bisschen.
Leute, die mit mir den qualifizierenden Hauptschulabschluss bestanden haben, verdienen mehr Geld als ich es jemals habe. Scheiße, sie haben auch schon mehr Geld ausgegeben als ich es jemals verdient habe. Von den Leuten, die mit mir den M-Zug besuchten, auf die FOS gingen, studierten und später die Ausbildung machten, will ich gar nicht erst anfangen. Wer sogar schlechter als ich war, ist heute in gehobenen Positionen. In Positionen, von denen aus man mich herumkommandieren könnte. Roger Nigk, ewiger Praktiktant, Azubi, Schüler, Schuleschwänzer und Streber, der von Strebern „Streber“ genannt wird.

Das bisschen Damage is done. Ich werde an der Schulaufgabe/Klausur nicht teilnehmen, sie in eine Zeit schieben, wo ich noch viel mehr Schul- und Studiumsstress ausgesetzt bin, werde mich noch miserabler fühlen, die Schule und meinen Hausarzt anlügen. Dabei bin ich alles andere als gesund. Ich fühle mich wie so oft nicht im Stande, ein Leben zu führen. Irgendeins. Ich verzweifle an mir selbst. Ich vermisse meine Freunde. Ich mag diese ganzen anderen Menschen nicht. Ich bereue meinen Lebensweg. Ich wüsste nicht wo sonst hin mit mir. Ich genüge nicht.

„ich bin auch nicht stressresistent. deswegen mache ich mir erst keinen.“
– Eine ehemalige Kollegin in der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger und meine damals beste Klassenfreundin. Studiert inzwischen seit längerem Medizin.

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Reflexion mit der Flex – warum dieser Blog?

Reflexion mit der Flex – warum dieser Blog?

Gründe warum ich blogge sind immer noch dieselben, die ich 2005 hatte, als ich meinen ersten Blog-Beitrag ins Netz laufen ließ. Nur der Hoster ist seit meinem dritten Blog ein anderer. Ein Kerl, mit dem ich innerhalb kürzester Zeit viel Blödsinn durchlebt habe und der mich in einer empfindlichen Zeit nicht von sich stieß, sondern sogar eine Schulbank mit mir teilte. Vielen Dank, Hydeeh Hyde. Ich vergess das nicht. [/schmalziger Prolog]

Einer unserer damaligen Mitschüler, Mic W., inzwischen selbstständig mit Sportnahrung, hatte eine kleine Website, auf der er seine Meinung und Gedanken teilte, großteils auf Englisch. Einer dieser Beiträge löste etwas in mir aus. Vorrangig beeindruckt hat mich seine Gabe zur kritischen Selbstreflexion, dazu dieses angstlose, in fast schon philosophisch anmutende Worte eingefasste „mein Herz ist freigelegt, glotzt und gafft ruhig, ist mir egal“. Und was er schrieb, machte ebenso für mich perfekten Sinn. Enttarnt und erkannt durch so ’nen Typen im Internet. Das war schön.

Zu dieser Zeit – das letzte Jahr ein Teenager – war ich mal wieder unglücklich verliebt, debütierte als Student, wusste nicht wohin, wusste nicht warum, wusste nicht wer ich war (man merkt: 13 Jahre später – Status unverändert). Mein Kopf war voller Dinge, die raus mussten. Mein erster Blog-Beitrag ließ sich davon noch nicht viel anmerken. Richtig verletzlich wurde ich mit meiner Verfolgungswahn-Reihe, gestartet am 09.09.2005, wo es um zerbrechliche Kontakte zu Frauen ging.

Dauerte nicht lange und ich weihte Freunde ein, weil ich gelesen werden wollte. Ich machte mir Gedanken darüber, wie meine Worte bei anderen ankamen, besonders bei einem Mädchen, Sabine, die ich rumkriegen und zu meiner ersten Freundin machen wollte, obwohl sie nicht wirklich mein Typ war und mich auch nicht sonderlich erregte. Aber wir waren in stetigem E-Mail-Kontakt, kannten uns von der Grundschule und sie konnte mit Worten umgehen, was durchaus Anziehung auf mich ausübte. Und: Als wir bei einem Klassenausflug eine Sommerrodelbahn besuchten, teilten wir uns einen Rodelschlitten. Sie saß hinter mir, legte ihre Beine um mich und ich konnte ganz deutlich ihre Vagina an meinem unterem Rücken fühlen. Ich war vielleicht 7 oder 8. Das war mein erster deutlicher Kontakt mit weiblichen Körperteilen, die sonst immer mit größter Sorgfalt von der Öffentlichkeit ferngehalten wurden und damit irgendwie geheimnisvoll waren. Gut, es war ihre und meine Jogginghose dazwischen, aber es hinterließ einen kleinen Funken sexuellen Interesses in mir, der inzwischen zum Fegefeuer erstarkt ist und in mir mit den Sonneneruptionen meines liebenden Herzens um die Vormachtstellung wetteifert. Das machte Sabine für mich besonders. Besonders eroberungswert.

Diese Mischung aus „eigentlich nicht mein Typ“ und „ich will sie zu sehr, weil Muschi“ machte meine Balz natürlich zur großen Pleite. Dass ich viel zu nett und unmännlich war, trug sein Weiteres dazu bei. Zudem war ich leicht zu kränken (bin ich heute noch, nur anders), worunter sie im weiteren E-Mail-Verkehr leiden musste. Wenn ich mir unsere Maildiskussionen gegen Ende des Kontakts nochmal durchlesen, schäme ich mich mehr als eine werdende Mutter, die in den letzten Presswehen der Hausgeburt auf den Tisch der Schwiegermutter scheißt – im Beisein der kompletten Verwandtschaft inklusive RTL-Fernsehkameras mit Live-Übertragung. Auch wenn mich damals störte, dass ihre Eltern so verfickt reich waren: Wir hätten irgendwie Freunde bleiben können. Vielleicht. Noch ein bisschen. Vermutlich nicht.

So it’s all about the pussy, right? Nope. Bloggen verschaffte mir ein Gefühl von Befreiung, raus aus familiären und gesellschaftlichen Käfigen, um sie von außen betrachten und darüber schriftlich sinnieren zu können; ebenso raus aus meiner Engstirn und mal beäugen, was sie so in Falten wirft, sei es durch Zweifel/Skepsis, Trauer, Wut oder Lachen (meine Stirn faltet sich bei allem); raus aus Erinnerungen, um sie aufarbeiten zu können; raus aus mir selbst, um mal andere Temperamente, Persönlichkeiten und Kontroversen infield auszuprobieren. Das war und ist spannend. Dabei im Gegenwind zu segeln und mal einen mehr oder weniger harten Schuss an den Bug zu kriegen, gehörte dazu.

Gedanken stürmen in meinem Kopf und wirbeln alles durcheinander, an das ich geglaubt und festgehalten habe. Werte, Überzeugungen, Vorbilder, Positionierungen innerhalb der Familie, mein Lebenslauf, mein Alltag, meine Nächte, meine Wahrnehmung als Mann, meine vermeintlichen Errungenschaften, mein Versagen, das alles inmitten von Menschen, Menschen von denen mir viele unsympathisch und suspekt geworden sind … harte Zeiten, momentan.

Der Leidensdruck ist enorm. Mein Geist, mein inneres Zentrum braucht wieder die Form von instabiler Stabilität, wie ich sie mit 25 noch zu haben meinte. Ich bin extrem uncool geworden, kann nicht mehr lässig und entspannt sein (dafür phlegmatisch), bin eine emotionale Splitterbombe, die Tag für Tag hochgeht und mehr oder weniger große Krater reißt, in mich selbst und die Menschen, die mir am nächsten stehen und mir eigentlich wichtig sein sollten.

Frust als festen Freund; bloggen ist die Paartherapie oder die Kreissäge für die Trennung. Jeder Blog-Beitrag hoffentlich ein Zahnrad mehr. Die Kreissäge aufkreischen lassen und nach einer Phase intensiven Schnittschmerzes wieder zur Ruhe finden. Tumore an meiner Persönlichkeit wegschleifen. Reflexion mit der Flex. Gedanken unter Kontrolle bekommen. „Laut denken“ in Schriftform.

Würde man mich fragen, was mir beim Bloggen am meisten gefällt, dann ist es das Kennenlernen neuer Menschen und der Austausch mit ihnen, egal ob sie nur für ein Kommentar oder für längere Zeit im Umkreis bleiben. Keinen von ihnen habe ich je persönlich getroffen, aber mich anderweitig mit ihnen verknüpft, sei es durch E-Mails, studivz (yes, I’m that old), Facebook oder SMS (yup, really fucking old). Doch das ist nun vorbei, denn du sollst verfickt nochmal diesen Blog nicht lesen! Warum tust du’s trotzdem?

„Yes, I am a thinking person. At least most of the times I am. Sometimes I even think too much about something, but that’s how I am. Other people may not think as much, they just go out and do what they gotta do. Some people listen to their heart, others listen to other people. But in the end you have to do what YOU think is the right way for YOU…“
– Zitat Mic

~ Etwas, dass du nicht liest, kannst du auch nicht kommentieren. ~